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Freie Software zur Sammlungsdokumentation

09/02/2007

Im Bereich der Software zeichnet sich ein eigentlicher Siegeszug der sogenannten “Freien Software” ab: sichere, zuverlässige und qualitativ hochwertige Software ist nicht selten “Freie Software” und wird von Privatpersonen bis hin zu Weltfirmen erfolgreich eingesetzt. Doch was ist “Freie Software” und was hat das mit der Dokumentation von Sammlungen zu tun?

Wenn Sie Freie Software einsetzen möchten, so müssen Sie keine Lizenzgebühren entrichten. Sie können Freie Software kopieren, verteilen und einsetzen wo und wie es Ihnen gefällt. So gesehen, ist Freie Software Gratis-Software. Damit sich niemand der Früchte der Arbeit anderer Leute bemächtigen kann, hat die Free Software Foundation (www.fsf.org) das Konzept des “Copyleft” (im Gegensatz zum Copyright) entwickelt, das nicht nur die Verwendung und Verbreitung Freier Software regelt, sondern auch deren Verbesserung und Vermehrung.

Für einzelne Softwareprojekte wurde die Lizenzform des GNU General Public License entwickelt. Doch Freie Software ist noch viel mehr: bei der sogenannten “Open Source Software” (www.opensource.org) wird auch der Programmcode freigegeben. Je nach Lizenzbedingungen kann der Programmcode abgeändert, erweitert, verbessert, wiederverwendet werden, wobei die Verbesserungen wieder in einer geregelten Form in das ursprüngliche Projekt zurückfliessen sollen. Auf diese Weise ist äusserst robuste, ressourcenschonende und hervorragende Software entstanden: z.B. das Betriebssystem Linux, der Webserver Apache, die Datenbank mySQL oder die Programmiersprache PHP und natürlich eine Unmenge weiterer Software-Projekte. Die Qualität der Freien Software hat ihren Ursprung in der verteilten Entwicklung der interessierten Kreise und in der Verwendung offener Standards. Es besteht keine Abhängigkeit von einzelnen Firmen oder Personen und der Selbsthilfe-Charakter Freier Software führt zu bedürfnisgerechter Software ohne überflüssige Erweiterungen. Da der gesamte Programmcode zugänglich ist, werden Programmierfehler und Sicherheitslöcher schnell entdeckt und behoben, und ein System kann theoretisch für jede beliebige Hardwareplattform jetzt oder in der Zukunft neu kompiliert werden. Diese Eigenschaften machen Freie Software zum geeigneten Instrumente zur Langzeitarchivierung von Daten, wie sie für die Sammlungsdokumentation von den Museen gefordert werden (ganz abgesehen von der notorischen Finanzschwäche der meisten Institutionen).

Das Projekt myColex

Zwischen Freier Software und den Museen besteht also eine grundsätzliche Wesensverwandschaften in der Art und Weise, wie mit Wissen umgegangen wird: beiden Institutionen liegt ein akademisches Wissensmodell zugrunde, wonach das Wissen kein Privatbesitz sein kann und an Güte zunimmt, je mehr es diskursiv verhandelt wird. Das gab den Anstoss zum Projekt myColex.

Aufbauend auf den Erfahrungen der letzten zehn Jahren des Historischen Museums Basel im Bereich der Sammlungsdokumentation mit EDV-Mittel, sollte eine Applikation entstehen, die durchwegs “Freie Software” verwendet und auf offenen Standards (HTTP, HTML, XML, SQL) aufbaut. Aufgrund des Stellenwertes einer fachgerechten Sammlungsdokumentation (dazu http://www.e-kultur.ch/softwarevergleich/softwarevergleich.pdf) soll diese Applikation allen interessierten Kreisen zur Verfügung stehen.

  • Ziel des Projektes myColex ist es, Dokumentationswerkzeuge bereitzustellen, die es allen interessierten Kreisen, wie Museen, Galerien, Stiftungen etc., ermöglichen, Sammlungen fachgerecht zu dokumentieren.

Bei der Programmentwicklung waren folgende Überlegungen massgebend:

  • Einfachheit: Die gesamte Bedienung soll in einem Webbrowser stattfinden, so dass keine Installationen notwendig sind. Die Benützung des Programmes soll so einfach und konsistent wie möglich sein, so dass das Programm ohne grossen Einführungsaufwand bedient werden kann.
  • Anpassbarkeit: Das Dokumentationssystem soll auf verschiedenen Plattformen lauffähig sein und so wenig Vorgaben an die Informatik-Infrastruktur wie möglich machen. Zudem sollen Anpassungen an spezielle Dokumentationsbedürfnisse und Erweiterungen über Konfigurationsdateien möglich sein, ohne den Programmcode verändern zu müssen. Das Aussehen der Masken soll über Vorlagedateien den individuellen Bedürfnissen angepasst werden können.
  • Sicherheit: Das System soll stabil sein, der Datenzugriff kontrolliert und die Datensicherung gewährleistet sein.

Wie ist myColex aufgebaut?

MyColex basiert auf dem freien Datenbanksystem mySQL (www.mysql.com) und einer relationalen Datenbank, deren Struktur im Historischen Museum Basel über Jahre entwickelt wurde, und die sich für verschiedenste Sammlungsgebiete (Münzen, Musikinstrumente, Druckgrafik, Kutschen etc.) bewährt hat. Alle Daten, seien das Suchbedingungen oder Dateneingaben, werden im Webbrowser in einem Formular vorgenommen und an den Webserver (vorzugsweise Apache, www.apache.org) weitergeschickt. Datenbank-, Webserver und Browser können alle auf derselben Maschine sein oder auf getrennten Maschinen im Netzwerk, ja sogar im Internet. Die Ressourcenansprüche des Gesamtsystems sind sehr niedrig, auch ein alter Notebook kann problemlos mit dem Gesamtsystem ausgerüstet werden, zudem werden die gängigsten Betriebssysteme unterstützt (Apple, Microsoft, Linux etc.).

Die Benutzereingaben werden vom Browser an den Webserver und dann an das Datenbanksystem weitergereicht. Das Ergebnis einer Suche wird vom Webserver mit Hilfe der freien Skriptsprache PHP (www.php.net) aufbereitet und als Liste wieder an den Webbrowser des Benützers zurückgegeben, analog den Listen der Internet-Suchmaschinen. Wenn Sie einen Eintrag der Liste anklicken, erhalten Sie eine Maske mit den Detailangaben, die Links zu den verknüpften Datensätze anderer Module aufweist: Sie suchen z.B. alle Gemälde und klicken in der Ergebnis-Liste auf den Eintrag “Bild einer Sonnenblume”. Es öffnet sich die Detailmaske mit den Angaben zu diesem Objekt. Weiterführende Links öffnen z.B. die zugehörigen Personendaten (Künstler, Donator). Ein Klick auf den Donatoreintrag öffnet die Detailmaske des Donators, die wiederum Links aller zugeordneten Objekte des Donators aufweist. Diese können Sie natürlich wieder einzeln oder als Liste aufrufen; Sie “surfen” durch die Datenbank, wie durch eine Website. Grosser Wert wurde auf die freie Konfigurierbarkeit gelegt: in einer Konfigurationsdatei kann das Aussehen aller oder spezieller Masken festgelegt werden, es können Auswahllisten einzelnen Feldern hinterlegt werden, zusätzliche Felder können zugefügt oder überflüssige ausgeblendet werden, und das Aussehen der Maske oder der Links kann einfach angepasst werden.

In einer sprachspezifischen Ressourcendatei sind alle Dialoge aufgeführt, weshalb einfach neue Sprachen angefügt werden können. Wo steht das Projekt jetzt? Einen ersten Eindruck des Projektes können Sie unter folgender Adresse gewinnen (beachten Sie die Gross-Kleinschreibung): www.historischesmuseumbasel.ch/myColex/ Die Version 1.0 umfasst folgende Module: - Objektverwaltung - Klassifikationsmodul (Sammlungskategorien) - Thesaurus (Beschlagwortung) - Personen- und Adressverwaltung - Medienverwaltung (Bilddaten) - Literaturverwaltung - Standortverwaltung - Ausstellungsverwaltung (Leihverkehr) - Konservierungsjournale Die Mehrsprachigkeit ist im Programm angelegt, doch fehlen noch Übersetzungen in andere Sprachen als Deutsch. Getestet wurde das Projekt mit Apache, PHP, MySQL unter Linux und Windows .

Drei Fallbeispiele geben Ihnen eine Idee möglicher Einsatzarten von myColex: Kleines Museum mit einem Computer und Internet-Anschluss Kleinere Museen mit kleinem oder mittlerem Sammlungsbestand verfügen meist nicht über das notwendige Wissen und die Mittel, eine ausgebaute EDV Infrastruktur zu unterhalten. Zumeist ist gerade in diesen Museen der Dokumentationsbedarf am dringlichsten. Viele Internet-Provider bieten schon für wenige Franken pro Monat die Möglichkeit an, myColex auf dem Internet zu installieren. Damit kann eine lokale Installation umgangen werden und der Zugriff auf die Daten kann, passwortgeschützt natürlich, von zuhause oder sonstwo her geschehen. Mittleres Museum mit lokalem Netzwerk und mehreren Arbeitsplätzen Wenn mehrere Benützer auf die Datenbank zugreifen sollen, so ist es vorteilhafter, entweder myColex auf einem schon vorhandenen Server zu installieren, oder einen vorkonfigurierten Linux-Server am Netz anzuschliessen. Da der Zugriff über den Webserver geschieht, erfordert das nur einen geringen technischen Aufwand und keine weiteren Anpassungen im Netzwerk.

Der Vorteil dieser Installationsart ist, dass Sie völlig unabhängig sind und dass die Daten im Museum bleiben. Grösseres Museum mit mehreren Standorten und Abteilungen Die Applikationsarchitektur erlaubt die Verarbeitung beliebig grosser Datenmengen durch beliebig viele Benützer. Einen Engpass an irgend einer Stelle kann durch zusätzliche Server oder durch leistungsfähigere Maschinen behoben werden. Bei grösseren Museen sind die Anpassungen und die Konfiguration sicher aufwändiger: so muss der Datenzugriff viel präziser geregelt werden und die Einbindung in die Ablauforganisation ist anspruchsvoller. Der gesicherte Zugriff von Aussenstationen ohne Netzverbindung kann über einen Telefonanschluss erfolgen.

Wie geht es weiter?

Zentral bei jedem Projekt mit Freier Software ist die Gemeinschaft der Benützer und Benützerinnen und der Mitwirkenden. Wenn Ihr Interesse geweckt wurde, so würde ich Sie gerne mit einem Newsletter über die Entwicklung von myColex auf dem Laufenden halten. Kontaktieren Sie mich unverbindlich. Natürlich unterstütze ich Sie beim Test und bei der Einführung des Systems und bei der Umsetzung spezieller Anliegen. Gerne nehme ich Verbesserungsvorschläge entgegen; besonders freuen würde ich mich, wenn Sie im Projekt mitwirken möchten!