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Standards, Werkzeuge und Kriterien der Sammlungdokumentation

09/02/2007

Die Herausforderung

Im Zentrum der Museen steht die Sammlung der Museumsobjekte, und ein wesentlicher Teil der Museumsarbeit besteht im Verwalten und Dokumentieren der Objekte. Diese Aufgaben sind weder neu, noch fehlen dafür vorgesehene Werkzeuge. Trotzdem ist es für viele Museen schwierig, das geeignete Werkzeug für die Verwaltung und Dokumentation der Sammlungen zu finden.

Die Gründe sind vielfältig, immer wieder werden folgende Problemkreise vorgebracht:

  • Zeit: jedes Museum verfügt über eine einzigartige Sammlung und jedes Objekt lässt sich beinahe unerschöpflich dokumentieren. Es fehlt aber oft die Zeit, die Dokumentationsbedürfnisse zu analysieren und Dokumentationssysteme zu evaluieren sowie sich für ein System zu entscheiden und schlussendlich die Sammlung planmässig zu dokumentieren.
  • Geld: dieser Faktor ist komplementär zum Faktor Zeit: wären mehr Mittel vorhanden, liessen sich zusätzliche Leute für die oben angeführtenAufgaben einstellen.

Eine weitere Schwierigkeit besteht in der Komplexität des Themas: eine Sammlungsdokumentation stellt höchste Anforderungen an:

  • Langlebigkeit: Museumsobjekte bleiben über lange Zeiträume in einem Museum. Alle Informationen zu einem Objekt müssen auch nach diversen Versions-, System- und Paradigmenwechsel greifbar sein. Und natürlich muss die ganze Dokumentation Bestand haben und der Nachwelt als wissenschaftlicher Nachlass des jeweiligen Kurators erhalten bleiben.
  • Genauigkeit: die Dokumentationstiefe zu einem Objekt darf nicht beschränkt sein, alle Informationen zu einem Objekt müssen festgehalten werden können. * Angepassbarkeit: alle Arten von Objekten, von archäologischen Objekten über Skulpturen, von technischen Objekten bis hin zu naturwissenschaftlichen Objekten müssen dokumentierbar sein.
  • Vielseitigkeit: die Dokumentation muss einer Vielzahl von Anforderungen gerecht werden und z.B. Ausstellungsvorbereitungen unterstützen, Fotos verwalten, Adresslisten generieren, Daten austauschen mit anderen Systemen, etc. zum Anfang Stellenwert der Dokumentation und von Standards In Anbetracht der hohen und diffusen Anforderungen an eine Dokumentation kann sich schnell Resignation ausbreiten. Um so wichtiger ist das Bewusstsein, dass die Sammlungsdokumentation einen integralen Bestandteil der Sammlungen eines Museums und damit ein Teil des kulturellen Erbes einer Gesellschaft darstellt. Aus diesem Grund haben sich schon gewichtige Gremien mit den Fragen der Dokumentation beschäftigt.

Eine der erstrangigen Anlaufstellen ist CIDOC, die Unterorganisation des ICOM, die sich mit der Sammlungs-Dokumentation beschäftigt. Ein Ergebnis dieser Bemühungen stellen verschiedene Standards zur Museumsdokumentation dar, wobei keiner dieser Regelwerke einen verbindlichen, internationalen Standard im Bereich der Sammlungsdokumentation darstellt, was sicher auch in der Natur der Museen liegt, denn jedes Museum ist einzigartig. Um den Sammlungen aller Museen gerecht zu werden, müsste der Standard entweder so umfangreich sein, das er verwirrend wäre und für die meisten Sammlungen unnötige Datenfelder aufweisen würde, oder er wäre so abstrakt, dass er noch mehr verwirren und nicht implementiert würde. Die meisten verfügbaren Lösungsansätze gehen von der vorhandenen Dokumentation und von den aktuellen Bedürfnissen aus und orientieren sich darüber hinaus an einem Standard. zum Anfang Womit kann dokumentiert werden

Der überwiegende Teil der Sammlungsdokumentation liegt heute sicher in Form von Inventarkarten vor. Diese Art der Sammlungsdokumentation weist eine lange Tradition auf und kann auch heute noch für viele Museen gute Dienste leisten. Um ein Inventar auf Karteikarten systematisch aufzubauen, sind neben fachlichen und gestalterischen Fragen in erster Linie konsequente organisatorische Massnahmen anzuwenden: * Wie wird nummeriert, * wann erfolgt welcher Eintrag, * wie werden die Dokumente abgelegt, etc.. Ein gut geführtes Inventar auf Karten ist sicher einem chaotischen EDV-System überlegen. Trotzdem sind Beschränkungen offensichtlich:

  • Änderungen in der Sortierung sind sehr aufwändig
  • Die Auswertung der Daten ist arbeitsintensiv und fehlerträchtig * Globale Änderungen (z.B. Adressänderungen) sind schwierig nachzuführen.
  • Daten müssen für jeden Verwendungszweck neu erfasst und aufbereitet werden und sind schwierig in organisatorische Abläufe einzubinden
  • Und natürlich ist die Frage nach der Datensicherheit bei Papier sehr anspruchsvoll. Für den Computer stellen sich diese Probleme nicht: Umsortieren, globale Änderungen, Suchfunktionen, Wiederverwendung der Daten sind seine eigentliche Domäne. Mit dem Einsatz von Informatik-Mittel zur Sammlungsdokumentation treten jedoch andere Probleme in den Vordergrund:
  • Die Frage des “Lebens der Informationen nach dem Systemtod” wird erst durch neueste Entwicklungen systematisch angegangen (z.B. XML und verwandte Standards, Open Source Software).
  • Der grösste Zeit- und Geldaufwand konzentriert sich auf die Einführung eines Dokumentationssystems, weshalb viele Museen diesen Schritt hinauszögern. * Der Unterhalt eines EDV-Systems bindet langfristig Ressourcen und amortisiert sich, entgegen euphorischen Versprechen vieler Anbieter, eher langfristig. Bei der Wahl der Informatik-Mittel werden zuweilen richtige Glaubenskämpfe ausgefochten. Es geht dabei um folgende Fragen * Betriebssystem: Windows, Linux und andere Unix-Derivate oder Apple
  • Software und Datenbank-Architektur: Full-Text-Retrieval und Dokumentenmanagement-Systeme, Relationale Datenbanken, Client-Server Systeme, Objektorientierte Datenbanken, proprietäre Architekturen und Mischformen
  • Bis hin zu Programmiersprachen und Benutzeroberflächen. Eine eigentliche Plattformunabhängigkeit, d.h. Lauffähigkeit auf unterschiedlichen Computerarchitekturen, ist bis jetzt nicht wirklich gegeben, obwohl einige Open Source Projekte (Projekte, deren Entwicklungen inklusive dem Programmcode frei benützt werden können) diese Sichtweise wohl am weitesten entwickelt haben.

Was soll dokumentiert werden?

Wir bewegen uns auf die Kernfrage der Dokumentation zu: Was soll dokumentiert werden? Dazu ist es wichtig, sich die Verwendungszwecke der Dokumentation zu vergegenwärtigen. Die Daten lassen sich grob in drei Kategorien unterscheiden (natürlich sind diese nicht abschliessend gemeint und einige Informationen lassen sich je nach Kontext verschiedenen Kategorien zuweisen):

  • Administrative Daten dienen dazu, Objekte zu verwalten. Dazu gehören alle Daten zur Identifikation der Objekte, logistische Daten, Daten, die für Geschäftsprozesse benötigt werden, also z.B: Erwerbsangaben, Standortangaben, Leihverwaltung etc..
  • Wissenschaftliche Daten: diese Daten stellen die eigentliche wissenschaftliche Aufarbeitung der Objekte dar und umfassen die Beschreibung der Objekte, Funktion, kulturhistorische Einbettung, Personenbezüge etc.
  • Physikalische Eigenschaften und Eingriffe: dokumentieren die Museumsobjekte als physikalische Körper mit Masse, Ausdehnung etc. und alle Veränderungen, die am Objekt vorgenommen wurden, wie z.B. Restaurierungsarbeiten. Die nachfolgende Liste soll nur einige wesentlichen Punkt bei der Sammlungsdokumentation aufzeigen. Gewichten Sie die aufgeführten Punkte und leiten Sie aus diesen Kriterien ihr persönliches Dokumentations-Profil ab, um die in Frage kommenden Produkte zu vergleichen.
  • Identifikation: Eine eindeutige Identifikation eines Objektes mit einer Inventarnummer ist das Fundament jeder Dokumentation. Die Inventarnummer kann mehrteilig sein, sie kann vom System generiert werden, auf Dubletten kontrolliert etc. Bewährt haben sich möglichst abstrakte Inventarnummern mit einem Laufnummernanteil ohne inhaltliche Bezüge.
  • Klassifikation: unterteilt den Sammlungsbestand in Sammlungsgebiete und Kategorien. Wichtig ist, dass Sie nach Kategorien mit allen Unterkategorien suchen können (hierarchische Suchfunktionen). * Objektbeschreibung: ausreichend Platz für Titel, Inschriften, Zustand, Beschreibung sind vonnöten und, je nach Sammlungsschwerpunkt, weitere Attribute, die die Abgrenzung der Objekte voneinander ermöglichen.
  • Ortsbezug: Herkunftsort, Fundort, Ort des Erwerbs, und weitere Ortsbezüge können bei einigen Programmen auch Thesaurusgestützt eingegeben werden.
  • Analyse der Materialien und Techniken: z.T. über Auswahlliste oder Thesauri einzugeben, Mehrfacheinträge sind für viele Objektgruppen unabdingbar. * Bemassung: Wichtig ist hier, dass Massangaben detailliert eingegeben und bei Bedarf statistisch ausgewertet werden können. Zudem sollen auch Gruppierungen und Bemerkungen möglich sein.
  • Datierung: oft werden diese Angaben sowohl in Textform und als Zahlen getrennt erfasst (Bsp: Anfang 20. Jh. und 1900 / 1920). Dadurch lassen sich die Einträge nach den Datumsangaben korrekt sortieren. Weitere Datierungsangaben können z.B. die Zuschreibung zu Perioden, Dynastien und Epochen umfassen.
  • Personenbezüge: zentral bei kulturgeschichtlichen Objekten sind die Angaben zu Personen und Personengruppen. Dabei sollten biographische und Adressdaten erfasst werden können. Diese Angaben sollten für verschiedene Zwecke verfügbar sein, z.B. für die Korrespondenz und Listen.
  • Erwerbsangaben: Neben der Erwerbungsart (Geschenk, Legat etc.) muss auch das Datum und der Preis festgehalten werden können. Daneben ist eine Eingabe von Schätzwerten sehr wichtig für die Bewertung der Sammlung.
  • Literaturverwaltung: Die Objekte sollen mit Literaturverweisen versehen werden können, um eine wissenschaftliche Aufarbeitung zu ermöglichen. Auch hier ist wichtig, dass die Angaben zu einer Literaturreferenz nicht jedes mal neu eingegeben werden muss, sondern dass schon bestehende bibliographische Einträge wiederverwendet werden können. Dieses Modul kann zu einem eigentlichen Bibliothekssystem ausgebaut sein.
  • Medienverwaltung: beliebig viele digitale und analoge Medien, wie Fotos und Negative sollten den Objekten zugeordnet werden können. V.a. digitale Medien ermöglichen eine effektive Bewirtschaftung der Sammlung.
  • Thesaurus: Thesauri sind komplexe Datenstrukturen und ermöglichen die Gliederung eines Begriffraumes. Thesauri sind nicht einfache Wortlisten und keine simplen Begriffshierarchien, wie z.B. eine Klassifikation, sondern Thesauri ermöglichen verschiedene Beziehungen zwischen den Begriffen zu definieren (Assoziationen, Hierarchie, Synonyme etc). Es existieren unterschiedliche Normen für ein- und mehrsprachige Thesauri. Thesauri benötigen eine konstante Pflege, ermöglichen aber eine kontrollierte und äusserst mächtige Dokumentation der Sammlung, speziell im Zusammenhang mit den entsprechenden Suchwerkzeugen.
  • Zusatzangaben: Benützerdefinierte Erweiterungen der Datenbank erlauben eine Anpassung an spezielle Bedürfnisse. * Eingriffe am Objekt: Alle Eingriffe und Veränderungen des Objektes sollen dokumentiert werden, z.B. Restaurierungsmassnahmen. Einige Programme halten jeden Arbeitsschritt fest und ermöglichen die Suche nach Objekten, die einer bestimmten Behandlung unterzogen wurden.
  • Standortverwaltung: Die ganze Objektlogistik muss dokumentiert werden. In diesem Bereich ist eine Standortgeschichte speziell aufschlussreich. Ebenso sollten Zügelaktionen unterstützt werden.
  • Ausstellungswesen: Eigene Ausstellungen mit fremden Objekten sollen genauso verwaltbar sein wie Leihanfragen anderer Institutionen und Dauerleihgaben.
  • Ereignisplanung und Rechnungswesen, Aufgabenverwaltung: Über die eigentliche Sammlungsdokumentation hinaus verfügen einige Programme noch über zusätzliche Programmfunktionen zur Verwaltung von Führungen, Veranstaltungen und andere Ereignisse sowie Auftragsverwaltung, Pendenzenliste bis hin zu Schnittstellen zum Rechnungswesen.

Was gilt es zu beachten?

Ausgabemöglichkeiten, Interfaces und Schnittstellen Natürlich sollen nicht nur Daten eingegeben werden, sondern diese sollen auch verwendet werden können. Neben den Anforderungen der Ausgabe auf Papier für Inventarkarten, Objektlisten, Zustandsprotokolle, Leihakten und eigenen Reports sind Schnittstellen zu anderen Programmen und Protokollen zunehmend wichtig (Textverarbeitung, Serienbriefe, Internet, XML).

Suchfunktionen

Die Qualität einer Datenbank zeigt sich oft in den Möglichkeiten zur Suche von Daten. Die Anforderungen an die Suchfunktionalität sind beinahe endlos und umfassen u.a. Suche über Verknüpfungen, benützerfreundliche der Eingabe der Suchbedingungen, Volltextsuche, Kombination von Suchbedingungen (Beispiele: Alle Personenbezüge der Eingänge 2000, alle Objekte der Personen aus Basel mit Nachname beginnend mit B, etc. etc.) . Datenbankadministration Jede Datenbank muss gewartet und administriert werden. Speziell die Zugriffssteuerung in einer Mehrbenutzerumgebung stellt hohe Anforderungen an das Datenbanksystem. Einige Datenbanken führen über alle Änderungen genau Buch und stellen mächtige Administrationswerkzeuge zur Verfügung (Erstellung von Duplikaten oder Doublettenkontrolle, Konvertierungen und Importmöglichkeiten) Was soll das alles Kosten? Wichtig sind nicht nur die Lizenzkosten, sondern auch die Einführungkosten, Kosten von Updates und Upgrades, Supportkosten, Projektbegleitung, Migrationskosten, Installationsgebühren, Schulungskosten etc.etc.

Und zu guter Letzt

Dieser kleine Leitfaden zur Sammlungsdokumentation soll auch dem Erfahrungsaustausch dienen. Bitte geben Sie mir doch Ihr Feedback unter stefan.buerer@bs.ch. Vielen Dank! Das Projekt myColex Ziel des Projektes myColex ist es, Dokumentationswerkzeuge bereitzustellen, die es allen interessierten Kreisen, wie Museen, Galerien, Stiftungen etc., ermöglichen, die Sammlungen fachgerecht zu dokumentieren. Dabei stehen drei Aspekte im Vordergrund:

  • Einfachheit: Die Bedienung und der Betrieb von myColex sollte möglichst einfach sein, damit die Dokumentation auch mit einfachsten Mittel und ohne grossen Einführungsaufwand erstellt werden kann.
  • Langlebigkeit:Der Einsatz von Open Source Software (Apache, PHP, MySQL, Linux ) und offenen Standards (HTTP, HTML, XML, SQL) stellt die Plattformunabhängigkeit und die Langzeitarchivierung sicher und garantiert den bestmöglichen Ertrag bei geringstem Aufwand.
  • Flexibilität: Die freie Konfigurierbarkeit ermöglicht die Anpassung an die spezifische Situation und an verschiedene Dokumentationsbedürfnisse.

Die Grundidee von myColex ist, dass die Daten mit einem normalen Webbrowser bewirtschaftet werden, wie sie auf allen PCs vorhanden sind, so dass keine Installationen auf den Arbeitsstationen notwendig sind und auch leistungsschwache Maschinen eingesetzt werden können. Die Datenbank kann entweder bei einem Internet-Provider sein oder lokal auf einem einfachen Server. Im ersten Fall kann über das Internet weltweit auf die Daten zugegriffen werden (selbstverständlich mit einem Passwortschutz versehen!), im zweiten Fall werden die Daten in der betreffenden Institution gehalten. Da myColex auf verbreiteten Open Source Software-Paketen beruht, entstehen in beiden Fällen äusserst geringe Kosten. Das Projekt ist im Moment (Juni 2002) in der Beta-Phase, das heisst, die zentralen Funktionen sind implementiert und getestet. Weitere Funktionen und Module werden folgen, das System ist einsetzbar, aber noch nicht auf alle möglichen Fehlermöglichkeiten ausgetestet. Falls Sie Interesse am Projekt haben, können Sie sich einen ersten Eindruck auf dieser Website verschaffen.